Der Angriffskrieg durch Wladimir Wladimirowitsch Putin gegen die Ukraine auf Europäischen Boden verursacht eine Zeitenwende in der Außen- und Sicherheitspolitik von Europa und der ganzen Welt. Ein Krieg ist immer grausam. Durch den Austragungsort verursacht er aber mehr als jeder andere Krieg eine tiefe Betroffenheit bei meinem Umfeld, unseren Kunden und mir persönlich.

Im Folgenden schreibe ich in meiner Eigenschaft als rationaler, neutraler Anlageberater und Finanzmarktanalyst.
Am 27.02.2022 haben EU-Funktionäre und der Deutsche Bundestag das wohl schärfste Paket von einschneidenden Sanktionen ratifiziert, das derzeit möglich ist. Als direkte Reaktion darauf hat Putin seine Atomwaffen in Alarmbereitschaft versetzt.
Mit derart harten Sanktionen hat Putin vermutlich nicht gerechnet und auch der Kriegsverlauf läuft aus seiner Sicht wohl nicht wie geplant. Die direkte Bedrohung mit Atomwaffen ist das härteste Antwort, die er zu bieten hat.
Das Maßnahmenpaket beinhaltet nicht nur Flugverbotszonen in Europa, die zeitweise Absage von Nord-Stream 2 durch Deutschland, das Verbot von Handel mit Russischen Banken, das Verbot von russischen Medien in Europa wie RT und Sputnik oder das Einfrieren von Vermögenswerten der wichtigsten Entscheider in Russland. Russland wurde am 27.02.2022 aus dem internationalen Zahlungsinformationssystem Swift (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ausgeschlossen. Damit sind keine internationalen Geldflüsse von und nach Russland mit der westlichen Welt möglich. Auch Apple Pay oder Google Pay funktionieren nicht mehr. Zwar gibt es immer Wege, Geldströme anderweitig zu organisieren – aber der Ausschluss von Swift wird massive Einflüsse auf Russlands Wirtschaft haben. Russland hat seit 2014 mit SPFS ein eigenes Swift und dieses ist seit 2019 mit dem chinesischen Swift (CIPS) verbunden – auch kann ein wesentlicher Teil des Rohstoffhandels über die neutrale Schweiz abgewickelt werden. Für die meisten Unternehmen aber wird der Handel mit Russland vorübergehend vollständig zum Erliegen kommen.
Die Auswirkungen dieser Situation sind für die russische Wirtschaft ein Riesenproblem – für die Weltwirtschaft und die weltweiten Aktienkurse allerdings ist die Situation nahezu unbedeutend.
Der russische Rubel war 2013 noch ca. 2,5 Euro-Cent wert. Seit der Annexion der Krim hat er bereits massiv an Wert verloren – seit der Corona Pandemie bewegt er sich bei ca. 1,1 Cent. Sollte die Situation von Dauer sein, dürfte der Rubel in den kommenden Wochen weit unter 1 Cent fallen. Das hätte negative Folgen für die russischen Sparer.
Putin hat durch den Swift-Ausschluss das große Problem, dass er nicht mehr so einfach Dollar-Reserven in Rubel tauschen kann, um den Wechselkurs positiv zu beeinflussen. Er hält wohl etwa 700 Milliarden US-Dollar für diesen Zweck. Man kann vermuten, dass die westlichen Nationen wegen genau dieser Tatsache den Swift-Ausschluss vollzogen haben. So besteht die Möglichkeit, dass sich das russische Volk mehr und mehr gegen ihren Autokraten auflehnt.
Putin hat innenpolitisch große Schwierigkeiten, allerdings folgt ein nicht unbedeutender Teil der Bevölkerung seinem Bestreben, die alte Bedeutung der Sowjetunion zurückzuerobern. Russland hat sich seit den 1990er Jahren von einer bedeutenden Weltmacht zum Gas-Lieferanten der Welt entwickelt. Die fortschreitenden Demokratie-Bewegungen seiner westlichen Nachbarländer fürchtet er offenbar, da er als Autokrat in Russland seine Macht gegenüber den Eliten innerhalb einer Demokratie vermutlich nicht erhalten könnte.
Russland ist abhängiger vom Erdöl und Gaspreis als jedes andere Land auf der Welt. Das russische BIP betrug 2021 ca. 1,65 Billionen US-Dollar. Der Anteil am weltweiten BIP in Höhe von 95 Billionen US-Dollar beträgt damit nur ca. 1,7%. Damit bewegt sich Russland etwa in einer Liga mit Kanada, Südkorea oder Spanien. Auch ist zu bewerten, welche Güter innerhalb der russischen Volkswirtschaft das Bruttoinlandsprodukt erschaffen. Die gesamte russische Wirtschaft ist auf den Erdöl- und Gasexport ausgelegt. Es gibt kaum nennenswerte internationale Verstrickungen zwischen russischen Unternehmen und den Rest der Welt darüber hinaus. Sollte Südkorea, oder auch eine kleine Nation wie Thailand oder Nigeria vom Weltmarkt isoliert werden, hätte dies weitaus größere Auswirkungen auf das globale Weltwirtschaftswachstum. Sollte es wirklich in letzter Instanz so weit kommen, dass westliche Staaten Russland die Energieexporte nicht mehr abnehmen, wird die russische Wirtschaft vollkommen in der Bedeutungslosigkeit verschwinden und Deutschland müsste Flüssiggas zu vermutlich höheren Preisen aus den USA, Katar oder Australien beziehen. Diese Maßnahme und das Verbot westlicher Unternehmen mit russischen Unternehmen jeglichen Handel zu treiben, sind die beiden größtmöglichen Sanktionen, die die westlichen Staaten noch ausüben könnten. Die Gas-Reserven Deutschlands sind derzeit zu 29,44% gefüllt. Damit könnte Deutschland die aktuelle Heizperiode auch ohne Zukauf ausreichend versorgt sein. Bis zum nächsten Winter könnte demnach an den globalen Märkten auf ausreichend Ersatz gesorgt werden. Der größte Gasspeicher Deutschland liegt übrigens im Niedersächsischen Rehden. Komischerweise ist dieser auch mit nur 3,71% am wenigsten gefüllt. Die Betreiberfirma gehört zu Gazprom. Weitere Informationen sowie einen Überblick zu den Gasreserven Europas finden sie in der Übersicht von Aggregated Gas Storage Inventory.
Was ist mit dem Worst-Case? Ein Atomkrieg ist äußerst unwahrscheinlich, da diese Gefahr durch die gegenseitige Vernichtungsgarantie unter Kontrolle zu sein scheint. An dieser Stelle sei betont, dass unsere Anlagestrategie mit dem Welt-Portfolio in allen Wirtschaftsregionen in allen Branchen der Welt zu investieren, die sicherste Variante, auch für das Atomkrieg-Szenario, ist. Vermutlich wäre es bei einer totalen Weltvernichtung nicht mehr sonderlich relevant, aber es würde keine Geldanlageform geben, die noch existiert – außer vielleicht Sachwerte wie Immobilien und Unternehmen. Wenn es noch Menschen gibt, wird es Unternehmen geben. Die global diversifizierten Kapitalanlagen sind für derartige Knock-Out Szenarien logisch die sicherste Variante. Ich fühle mich grad sehr schlecht, dies auszusprechen – aber es ist so.
Aufgrund der Gesamtsituation bin ich hier auf Russland eingegangen. Aber seien Sie sich sicher, dass die russische Wirtschaft keinen nennenswerten Einfluss auf die Weltwirtschaft und somit auf die Anlageportfolios hat.