27 Millionen laufende Verträge
Der Bausparvertrag zählt zu den Klassikern in Deutschland.
Bis weit in die 1990er Jahre hinein rangierten Verträge dieser Art ganz oben in der Beliebtheitsskala. Der Hype ist zwar mächtig abgekühlt, aber dennoch werden in Deutschland immer noch vergleichsweise viele Bausparverträge abgeschlossen
Laut der Bundesbank gibt es über 27 Millionen laufende Verträge in Deutschland. Auf die aktuelle Einwohnerzahl umgelegt, bedeutet dies, dass nahezu jeder dritte Bürger über einen Bausparvertrag verfügt.
Bausparverträge - große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Obwohl die mitunter großen Zinsvorteile, die ein Bausparvertrag in früheren Zeiten generierte, längst nicht mehr existent sind, bieten Bausparkassen und Banken diese Produkte immer noch gerne an. Als unabhängige und stets kundenorientierte Finanz- und Vermögensberatung stellen wir uns hier die (berechtigte) Frage: Was soll das dem Kunden tatsächlich bringen? Denn rein rechnerisch gibt es bessere und vor allem günstigere Alternativen, eine Immobilie zu finanzieren. Diese Diskrepanz ist Grund genug, um sich einmal näher mit dem Thema Bausparvertrag auseinanderzusetzen und Ihnen einen Überblick über die Ist-Situation sowie den Vor- und Nachteilen von Bausparverträgen zu befassen.
Hintergrund: Das Grundprinzip von Bausparverträgen
Die Basis des Bausparens ist sowohl simpel als auch genial
Sämtliche Sparer zahlen Ihre Sparbeiträge in einen großen Topf ein. Sobald dieser genug gefüllt ist, also ein bestimmter Vertrag zusammengekommen ist, zahlt die Bausparkasse an die frühesten Sparer die ersten Kredite aus. In der Folgezeit zahlen alle Sparer kräftig weiter ein, sodass nach und nach alle bauen können. Auf diese Weise kann der Einzelne sogar schneller bauen, als wenn er lediglich alleine sparen würde. Dieses System ist heute von Bausparkassen und Banken hochgradig digitalisiert. Für die Praxis bedeutet das: Es kann exakt vorausberechnet werden, wie viel frisches Geld es durch die Einzahlungen gibt und welche Bausparverträge zur Auszahlung kommen.
Wie sicher sind die Bausparguthaben?
Bausparkassen gelten zwar nicht als systemrelevante Institute, zählen aber zu der Sparte der Kreditinstitute. Bausparguthaben gelten dabei als besonders sichere Anlagen, da Bausparkassen keinem Marktrisiko ausgesetzt sind. Es besteht auch kein Liquiditätsrisiko, da sich das System der Bausparverträge selbst refinanziert. Gleiches gilt für das Zinsänderungsrisiko, das Spreadrisiko sowie das granulare Kreditrisiko.
Dafür sorgen der Festzins und die Absicherung durch das Grundpfandrecht auf die jeweilige Immobilie. Das Bausparguthaben der privaten Bausparkassen ist durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken abgesichert. Früher sogar in unbegrenzter Höhe, aber seit der Auflösung der privaten Bausparkasseneinlagensicherungsfonds im März 2017 nur noch bis zur gesetzlichen Obergrenze. Diese beträgt 100.000 Euro.
Deckt der Bausparvertrag die komplette Immobilienfinanzierung ab?
Damit das in dieser Form aber überhaupt so funktioniert, wenden die Bausparkassen und Banken einen einfachen Trick an: Sie kombinieren einen Sparplan mit einem Immobiliendarlehen. Der Zins liegt in der Sparphase meist unterhalb des marktüblichen Niveaus. Zwar müssen die Sparer Abschluss- und Verwaltungskosten zahlen, dafür profitieren Sie aber von den günstigeren Zinsen beim Bauspardarlehen. Die durchschnittliche Bausparsumme bei Neuverträgen lag nach den Angaben und Zahlen des Verbands der privaten Bausparkassen im Jahr 2019 bei rund 50.000 Euro. Diese Zahlen machen deutlich: Der Bausparvertrag deckt eigentlich immer nur einen Teil der Finanzierung einer Immobilie ab.
Abwicklung
Die klassische Abwicklung bei Bausparverträgen
Der jeweilige Bausparer muss in der Regel zwischen 30 und 50 Prozent von der vereinbarten Bausparsumme ansparen. Ist dieses Sparziel erreicht, wird der Vertrag zuteilungsreif. Das kann zum Beispiel nach sieben, zehn oder 15 Jahren der Fall sein. Das dann abgerufene Darlehen für die Baufinanzierung darf der Bausparer jetzt in so bezeichnete wohnwirtschaftliche Zwecke investieren. So ist es im Bausparkassengesetz (§ 1 Abs. 3 BauSparkG) formuliert und festgelegt. Für die Rückzahlung des Darlehens erhält der Bausparer wieder einige Jahre Zeit. Der Rückzahlungszeitraum kann bei vielen Verträgen individuell vereinbart werden. Zu viel Zeit sollten Sie sich dabei aber nicht lassen. Denn der Kreditzins ist in der Regel umso niedriger, je schneller die Rückzahlung des Darlehens erfolgt.
Zinsen
Günstige Zinsen immer nur bei einer schnellen Rückzahlung
In der Praxis gilt der von Bausparkassen und Banken beworbene Kreditzins in der Regel immer nur für den Fall einer schnellen Rückzahlung. Wer hier eine langfristig angelegte Rückzahlung ins Auge gefasst hat, muss mit weitaus höheren Zinsen rechnen. Allerdings sind Sie nicht verpflichtet, bei der Zuteilung Ihres Vertrags das Darlehen auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Vielmehr können Sie sich auch dafür entscheiden, das Bausparguthaben direkt auszahlen zu lassen. In diesem Fall endet dann der Vertrag mit der Auszahlung des Guthabens.
Alte Verträge
Die Bausparkassen dürfen nach BGH-Urteil alte Verträge kündigen
Dem Bausparer steht aber auch noch eine dritte Option zur Verfügung. So kann er trotz erfolgter Zuteilung des Vertrags einfach weiter sparen. In diesem Fall wird das Guthaben weiter verzinst, aber im Laufe der Zeit wird das mögliche Baudarlehen immer kleiner. Dies stellt eine interessante Möglichkeit für Sparer mit gut verzinsten Altverträgen dar. Allerdings gibt es hier eine Einschränkung. Denn die Bausparkassen dürfen zehn Jahren nach der Zuteilung den Vertrag kündigen. Dies hat der Bundesgerichtshof (kurz: BGH) am 21. Februar 2017 entschieden. Damit ist es rechtens, dass Bausparkassen alte, hochverzinsliche Bausparverträge kündigen, da deren Weiterführung sich für die Bausparkassen als wirtschaftlich unattraktiv darstellen.
klares Minusgeschäft
Direkt aus der Beraterpraxis - ein Rechenbeispiel
Anhand des folgenden Rechenbeispiels können Sie sich selbst ein Bild über den Sinn machen, einen Bausparvertrag abzuschließen. Angenommen die Bausparsumme beträgt 10.000 Euro und die Abschlusskosten betragen 100 Euro. Der Guthabenzins beläuft sich auf 0,25 Prozent. 50 Euro zahlt der Sparer monatlich ein. Zuteilungsreif ist der Vertrag nach 8,5 Jahren.
Das Bauspardarlehen kann jetzt vom Sparer in Anspruch genommen werden. Wenn Sie die Einlage zu diesem Zeitpunkt betrachten, liegt das angesparte Guthaben bei 5.155 Euro. Lediglich 55 Euro hat der Sparer dabei an Zinsen erhalten. Das ist nicht viel, gerade wenn Sie bedenken, dass die Abschlussgebühr bereits mit 100 Euro zu Buche schlägt. Für den Sparer hat sich hier ein klares Minusgeschäft ergeben.
Keine Vorteile für den Bausparer in Sparphase und Bauphase
Auch in der anschließenden Bauphase kann der Bausparer keine finanziellen Vorteile herausschlagen. Angenommen, der Bausparer verfügt jetzt über ein Bauspardarlehen zu einem Zinssatz von jährlich 2,5 Prozent. Sie müssen jetzt allerdings zusätzlich Ihren Verlust aus der Sparphase mit einrechnen. Dadurch verteuert sich das Bauspardarlehen um rund einen halben Prozentpunkt.
Ausgehend von der Differenz zwischen Guthaben und Bausparsumme finanziert der Bausparer jetzt jedenfalls 4.845 Euro zu einem festen Zins. Innerhalb von neun Jahren kann dieses Darlehen leicht getilgt werden. Ob das jetzt aber tatsächlich ein günstiges Darlehen darstellt, bleibt fraglich. Die Finanzierung über ein Baudarlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren leistet dies teilweise besser bzw. günstiger. Aktuell liegt einer der günstigsten Zinssätze für Baudarlehen von den Bausparkassen bei 0,98 Prozent. Einen Kredit über 400.000 Euro bekommen Sie aber auch von Banken mit einem Zinssatz von 0,9 Prozent, manchmal sogar mit rund 0,70 Prozent. Der Bankkunde kann so bereits innerhalb der ersten zehn Tilgungsjahre mehrere tausend Euro an Kreditkosten sparen.
Sollten die Darlehenszinsen in Zukunft deutlich steigen, nur dann können Sie durchaus von Ihrem Bausparvertrag im Hinblick auf die Bauphase profitieren. Beim aktuellen Zinsniveau ist das nicht der Fall. Somit bringt Ihnen ein Bausparvertrag weder in der Sparphase, noch in der Bauphase einen finanziellen Vorteil.
Der Zuteilungszeitpunkt ist nicht garantiert – das kann für Probleme sorgen
Dass sich Bausparverträge in vielen Fällen wirtschaftlich nicht wirklich rechnen, ist aber nicht der einzige Kritikpunkt. Auch zum Beispiel beim Zuteilungszeitpunkt präsentieren sich Bausparverträge nur wenig kundenorientiert und -freundlich. Bei Abschluss eines Bausparvertrags erhält der Bausparer lediglich einen unverbindlich geschätzten Zuteilungszeitpunkt. Dass dieser auch eingehalten wird, dafür gibt es keine Garantie von der Bausparkasse.
Das heißt also: Der Zuteilungszeitpunkt kann sich deutlich verschieben. Hier kommt es mitunter zu Wartezeiten von mehreren Monaten. Gerade für Grundbesitzer kann diese Verschiebung zu Problemen hinsichtlich von termingebundenen Vorfinanzierungen führen. In Niedrigzinszeiten ist diese Problematik rundum die durchschnittliche Wartezeit allerdings weniger akut als in Zeiten mit höheren Zinsen.
Wartezeit: Bausparkassen bieten Vor- und Zwischenfinanzierungen an
Wer trotzdem die Wartezeit mit Vor- und Zwischenfinanzierungen überbrücken möchte bzw. muss, dem bieten die Bausparkassen in der Regel einen Sofortkredit zu marktüblichen Zinsen an, dessen Laufzeit variabel gestaltet wird. Dieser Sofortkredit wird vom Kunden nicht getilgt. Stattdessen zahlt er weiter auf sein Bausparkonto ein, muss dabei aber zusätzlich Zinsen für den Sofortkredit zahlen.
Kommt es dann zur Zuteilung, wird der Vorauskredit von der Auszahlungssumme abgezogen. Einige Bausparkassen vereinbaren auch fest terminierte Laufzeiten, wobei eine vorzeitige Ablösung durch Sondereinzahlungen auf das Bausparkonto verweigert wird. Kündigt der Kunde vorzeitig den Sofort- bzw. Vorauskredit, erhebt die Bausparkasse marktübliche Vorfälligkeitszinsen. Das ist eigentlich die klassische Vorgehensweise von Banken.
Zu niedrige Sparraten wirken kontraproduktiv
Ein Dorn im Auge sind uns auch die oftmals völlig unrealistischen Laufzeiten, die häufig durch zu geringe Sparraten zustande kommen. Bausparverträge sollten immer so angelegt sein, dass der Bausparer in frühen Jahren bzw. nach wenigen Jahren mit dem Bauen beginnen kann. Es gibt aber viele Verträge, deren Zuteilung erst nach mehreren Jahrzehnten möglich ist.
Die meisten Menschen möchten aber nicht erst dann bauen, wenn das Rentenalter schon in Sichtweite ist. Besonders kleine Sparraten sind daher immer ein zweischneidiges Schwert. Die finanzielle Belastung ist zwar dann nicht so hoch, aber dafür muss der Bausparvertrag viel zu lange bespart werden. Kommt dann noch eine bestimmte Wartezeit dazu, ist das Fiasko perfekt.
Die Bausparsummen werden oftmals zu niedrig für eine komplette Baufinanzierung angesetzt
Günstige Raten stellen grundsätzlich ein probates Werbeargument dar. Aber gerade bei Bausparverträgen haben die Sparer ein klares Ziel vor Augen: Sie möchten so schnell wie möglich genug Geld ansparen, um das Baudarlehen in Anspruch zu nehmen. Mit kleinen Sparraten kommen Sie aber nicht schnell ans Ziel.
Um die Zuteilung schneller möglich zu machen, drehen die Bausparkassen dann einfach an der Bausparsumme. Diese wird viel zu niedrig angesetzt, um damit einen Hausbau komplett zu finanzieren. Hier reichen heute selbst Summen von 100.000 oder auch 150.000 Euro kaum aus. Der Bausparer ist also gezwungen, einen zusätzlichen Kredit für die Baufinanzierung aufzunehmen. Das sollte aber nicht Sinn und Zweck eines Bausparvertrags sein.
In bestimmten Fällen werden Einzahlungen verweigert oder relativiert
Das Niedrigzinsniveau am Kapitalmarkt bringt die Bausparkassen in die Bredouille. Das liegt daran, dass sich bei Bausparverträgen die Guthabenzinsen sowie etwaige Zinsbonifikationen nicht an den Kapitalmarktzinsen orientieren und entsprechend angepasst werden können. Dieser Schritt wird den Bausparkassen durch die vertraglich fixierte Zinsvereinbarung genommen. Viele Verträge sind dadurch nicht mehr profitabel für die Bausparkassen.
Wie vorhin bereits skizziert, können die Bausparkassen Verträge zehn Jahre nach der Zuteilung zwar kündigen, aber die anderen Verträge müssen bis zu diesem Zeitpunkt weitergeführt werden. Die Bausparkassen sind diesbezüglich dazu übergegangen, eine Annahme von Einzahlungen oberhalb des Regelsparbeitrags von ihrer Zustimmung abhängig zu machen. Einige Bausparkassen machen gerade bei älteren Tarifen Gebrauch von dieser Regelung.
Für den Sparer bedeutet das: Seine Einzahlungen werden erst gar nicht oder aber nur unter bestimmten Auflagen angenommen. So muss der Sparer zum Beispiel auf den Zinsbonus verzichten, bevor die Einzahlung realisiert werden kann. Andere Bausparkassen haben Modelle entwickelt, bei der sie die Guthabenzinsen nach einer bestimmten Konstantzeit an den tatsächlichen Marktzins anpassen.
Fazit
Unsere Meinung: Ein klares Nein zu Bausparverträgen
Bausparverträge zählen zu den sichersten Anlageklassen. Punkt. Das ist der einzige Vorteil, den wir einem Bausparvertrag attestieren können. Ansonsten überwiegen die Nachteile. Wir prüfen seit Jahren sorgfältig und unvoreingenommen den Nutzen von Bausparverträgen. Bisher hat sich aber für keinen unserer Kunden ein Bausparvertrag als sinnvoll erwiesen. Denn Fakt ist: Ein Bausparvertrag beschert Ihnen Kosten, bietet eine äußerst schlechte Rendite und sichert Ihnen lediglich vermeintlich günstige Darlehen zu. Und die meisten nur in einer Höhe, die in der heutigen Zeit hinten und vorne nicht reicht, um ein Bauprojekt vollumfänglich zu finanzieren.
Unsere Empfehlung ist klar: Finger weg von einem Bausparvertrag. Gerne unterstützen wir Sie dabei, Finanzierungslösungen zu identifizieren, die zu Ihnen passen und echten Mehrwert in Ihrer persönlichen Lebenssituation generieren. Ein Bausparvertrag hat hier keinen Platz. Denn von einem Abschluss profitiert nur die Bausparkasse als Verkäufer, mit Sicherheit aber nicht der Kunde. Zudem erinnern die Bausparverträge mit ihren festgelegten Zinsen an eine Wette. Denn wie sich die Guthaben- und vor allem die Darlehenszinsen in zehn oder 15 Jahren präsentieren, kann nicht seriös vorhergesagt werden.
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